Mit Emotionen für Europa begeistern

Das GSI hat im Rahmen des diesjährigen Deutsche Welle Global Media Forum eine Diskussionsrunde veranstaltet. Unter der Moderation von Dr. Jan Ulrich Clauss, Leiter Stategische Planung des GSI, diskutierten Experten die Frage: „From Nobel Peace Prize winner to state of crisis – is a European political public sphere possible?“

Yves Leterme, Generalsekretär des International Institute for Democracy and Electoral Assistance (IDEA), Stockholm, machte gleich zu Beginn deutlich, dass ein wichtiges Kriterium für eine europaweite Öffentlichkeit nicht gegeben sei: eine gemeinsame Sprache. „Unterschiedliche Sprachen führen dazu, dass die Menschen zum Beispiel auch unterschiedliche TV-Programme schauen“, sagte der frühere belgische Premierminister. Bei aller sprachlichen und kulturellen Vielfalt gebe es aber auch viele Gemeinsamkeiten, die es hervorzuheben gelte. „Menschenrechte, Aufklärung, trias politica – das sind einige der Werte, die in ganz Europa gelten. Und die uns auch von anderen Gesellschaften abheben“, so Leterme. Diese Werte sollten Medien hervorheben.

Dr. Andrea Despot, stellvertretende Leiterin der Europäische Akademie Berlin, zeigte sich skeptisch, ob Medien allein diese Aufgabe erfüllen könnten. „Wenn man sich die Logik der Medien anschaut, muss man feststellen, dass Krisen einen höheren Nachrichtenwert haben als eine kontinuierliche Berichterstattung über die Vorteile und Werte Europas.“ Angesichts der Tatsache, dass sowohl Medien als auch Politiker Desinformationen zu Europa verbreiteten, betonte Despot die Bedeutung von Begegnungen – etwa im Rahmen politischer Bildung. „Kommunikation, auch digital, ist wichtig. Aber dem persönlichen Austausch kommt eine entscheidende Rolle zu, wenn wir ein gemeinsames europäisches Narrativ entwickeln wollen.“

Dr. Hendrik Schott, Präsident der Vereinigung Europäischer Journalisten (VEJ), Bonn/Berlin, plädierte dafür, dass sowohl Journalisten als auch Politiker ihre nationalen Perspektiven ablegen. So würden etwa EU-Kommissare manchmal die Interessen ihrer entsendenden Länder stärker im Blick haben als die eines gemeinsamen Europas. Eine Beobachtung, die Schott auch in anderen Bereichen sieht: „Nach EU-Gipfeln informieren die Staats- und Regierungschefs weitgehend nur die Medien ihrer Länder.“ Ein transnationaler Austausch finde da selten statt. „Wir Journalisten sollten  die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt stellen, statt 28 Perspektiven einzunehmen.“

Dr. Henning Hoff, Executive Editor, Berlin Policy Journal, Berlin, erinnerte daran, dass viele Zeitungen in ganz Europa derzeit Schwierigkeiten mit ihren Geschäftsmodellen hätten. Vor diesem Hintergrund sei es für Medienmacher verlockend, nationale Interessen zu bedienen oder auch dramatische Schlagzeilen zu wählen. Eine eher transnationale Zielgruppe habe das Berlin Policy Journal im Blick, das Hoff verantwortet. „Wir wollen mit unserer digitalen Publikation eine transeuropäische Debatte starten.“ Dies könne etwa für die Abstimmung in Großbritannien wichtig sein, denn “je mehr die Menschen über Europa wissen, umso eher stimmen sie für Europa und einen Verbleib in der EU ab.“

Als ausschlaggebend für eine funktionierende europäische Öffentlichkeit sah die Runde einen emotional geführten Diskurs an, auch um eine größere Zielgruppe anzusprechen. „Euroskeptiker erreichen die Menschen, weil sie zum Beispiel Ängste schüren – manchmal auch mit gezielten Falschinformationen“, sagte Andrea Despot. Ein Weg, die Emotionen der Menschen über Medien zu erreichen, könnten Visualisierungen sein, griff Yves Leterme einen Diskussionsbeitrag aus dem Publikum auf. Insgesamt zeigten sich die Panelisten zuversichtlich, dass der Diskurs in und über Europa weitergehe. Augenzwinkernd ergänzten sie, dass es ja auch ein Thema und das dazugehörige Medium gebe, das offenbar europaweit funktioniere: der Sportkanal Eurosports. Das, so war sich das Podium einig, müsse und sollte nicht der einzige transeuropäische Diskurs bleiben. 

In der Bildergalerie: Dr. Jan Ulrich Clauss, Dr. Andrea Despot, Dr. Henning Hoff, Dr. Hendrik Schott, Yves Leterme (Alle Fotos: Copyright Deutsche Welle)