Der Prozess der Erinnerung

Im Rahmen des Deutsch-Französischen Tages, der am 22. Januar gefeiert wird und der jährlich, anlässlich der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags, die vielfältigen Beziehungen der Nachbarländer in den Fokus rückt, richten das Institut français Bonn und des Gustav-Stresemann-Institut gemeinsam Veranstaltungen aus.

Prof. Olivier Wieviorka, Historiker. Foto: Eduard N. Fiegel

Den Auftakt des Deutsch-Französischen Tages machte am 11. Januar 2018 ein Vortrag des französischen Historikers Olivier Wieviorka, der an der renommierten Universität Paris-Saclay als Professor lehrt.

Bei der Begrüßung wies der Direktor des GSI, Dr. Ansgar Burghof, darauf hin,  dass die deutsch-französische Zusammenarbeit einen Großteil der Arbeit des GSI ausmache. Bei der Gründung der Bildungsstätte, sechs Jahre nach dem zweiten Weltkrieg „war das Ziel klar: Europa – das hieß: es geht nur gemeinsam. Es ging um die Überwindung nationaler Grenzen. Und es ging um die Aussöhnung mit Frankreich.“, so Burghof. Aussöhnung bedeutet die Auseinandersetzung  mit der gemeinsamen Geschichte. Für das Institut français Bonn begrüßte Dr. Landry Charrier das zahlreich erschienene Publikum, er unterstrich die Bedeutung des Themas und wies auf das komplexe Verhältnis zwischen Geschichte und Erinnerung hin. Der Leiter des  Institut français Bonn stellte Prof. Wieviorka als einen führenden historischen Experten vor, der zur Geschichte des zweiten Weltkriegs arbeitet. 

Dr. Ansgar Burghof eröffnet die Veranstaltung. Foto: Eduard N. Fiegel

Prof. Olivier Wieviorka hatte als Thema gewählt: „The French memory of World War II  (1944-2017)“. Er schilderte anschaulich, dass die Erinnerung ein sozialer, gesellschaftlicher und, nicht zuletzt, auch ein politischer Prozess sei. Die Definition dessen, was die Zeit des zweiten Weltkriegs bedeute, sei auch durch politische Erwägungen geprägt und Gegenstand einer vielschichtigen Diskussion.

So hätten direkt nach 1945 in Frankreich, aus Sicht des Staates, vor allem drei Faktoren im  Mittelpunkt gestanden: die deutsche Besatzung (und deren einhellige Ablehnung durch die gesamte Bevölkerung), die Vichy-Regierung als eher unbedeutende Marionetten-Organisation und der Krieg.

Erst später wurde diese Konstruktion einer gemeinsamen Erinnerung durch gesellschaftliche Debatten hinterfragt. Damit wurde auch deutlich, dass das Schicksal der verschiedenen Opfergruppen wie der jüdischen Verfolgten, der Kriegsgefangenen, der Zwangsarbeiter/innen differenziert betrachtet werden müsse. Zu dieser neuen Sichtweise trugen vielfältige Stimmen der Zivilgesellschaft bei, die den Opfern Gehör verschafften. Dazu zählten regionale Initiativen ebenso wie neue historische Forschungen. Auch kritische Fragen, wie die  nach der Kollaboration mit dem Besatzungsregime wurden damit öffentlich debattiert. Olivier Wieviorka berichtete, wie die Haltung der verschiedenen Präsidenten und Parteien diese Debatte um Erinnerung beeinflusste.

Heute gebe es eine Vielfalt an Erinnerungsstätten, Museen, Filme, Gedenktage, die ein  sehr vielfältiges Bild widerspiegelten, und die die vielfältigen Erfahrungen und die komplexen historischen Ereignissen darstellen.

Nach dem Vortrag gab es interessierte Nachfragen des Publikums, verbunden mit einem großen Dank für die spannende historische Zeitreise.

Dr. Landry Charrier, Leiter Institut français Bonn/Hochschulattaché. Foto: Eduard N. Fiegel

Am 22. Januar 2018 ist um 19.00 die zweite Veranstaltung im Rahmen des Deutsch-Französischen Tages. Diesmal ist das Institut français Bonn Gastgeber bei einem Podiumsgespräch und Konzert unter dem Motto “Wir feiern unsere Freundschaft“. An dem Gespräch nehmen Prof. Dr. Guido Thiemeyer (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) und Camille Naulet (IKAB Bildungswerk) teil. Das  Konzert bestreitet Son Kapital (Chanson Ska) mit Lieder auf Deutsch und Französisch. 

https://bonn.institutfrancais.de/kalender/veranstaltung/2018-01-22t180000-bis-2018-01-22t210000-deutsch-franzoesischer-tag