Der lautstarke und der lautlose Aufstand

19.10.2021 - 19.10.2021 in GSI Bonn und digital (Seminarnummer 5/301/21)

Eine vergleichende Betrachtung der Rezeption der Geschichte und des Interpretationswandels in Bezug auf den italienischen und deutschen antifaschistischen Widerstand

"Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft." Als der damalige Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Richard von Weizsäcker, am 8. Mai 1985 im deutschen Bundestag diese Worte sprach, war ihm sicherlich bewusst, dass er mit seiner Rede eine Zäsur im Denken der deutschen Nachkriegszeit markiert hatte. Mit der Betonung der deutschen Verantwortung war natürlich auch der Respekt gegenüber denjenigen verbunden, die schon während des deutschen Faschismus durch ihre mutigen Widerstandshandlungen Verantwortungsbewusstsein gezeigt hatten.

Günther Weisenborn schreibt in seinem 1953 erschienenen Buch über den deutschen Widerstand: „In jedem eroberten Land gab es eine Widerstandsbewegung. Im Herzen Deutschlands aber lebte die älteste Widerstandsbewegung gegen Hitler, die deutsche.“ [1].  Die Anerkennung von Schuld und Verantwortung – die Wahrnehmung der Befreiung als Befreiung  ?  waren ebenso wie die Würdigung der zahlreichen Menschen, die ihren Widerstand schon unmittelbar nach der Machtübertragung 1933 mit dem Leben bezahlt hatten oder in Konzentrationslager gesperrt worden waren, bis zu diesem Zeitpunkt kein Element des hegemonialen Diskurses in der BRD, sondern allenfalls Meinungsäußerungen einzelner Repräsentant*innen der politischen Opposition.

Anders in Italien: Der 25. April 1945 wird als Jahrestag der Befreiung vom Faschismus gefeiert. Es ist dies nicht der Tag, an dem die Truppen der Hitlerwehrmacht kapitulierten, sondern der Beginn des allgemeinen bewaffneten Volksaufstandes in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten, zu dem das Komitee der Befreiung Oberitaliens (Comitato di Liberazione Nazionale Alta Italia) aufgerufen hatte.

 „Das Datum des 25. April repräsentiert symbolisch den Höhepunkt der militärischen Phase des Widerstands und den effektiven Beginn einer Regierungsübernahme durch Repräsentanten der Resistenza, der sodann zum Referendum des 2. Juni 1946 zur Entscheidung über Monarchie und Republik sowie dann zur Geburt der Italienischen Republik mit der definitiven Verkündung der italienischen Verfassung führen wird.“ [2]. So symbolisiert der 25. April als Feiertag in Italien einen Tag des Stolzes auf die nationale Befreiung.

[1] Günther Weisenborn, Der lautlose Aufstand, Frankfurt 1974, S. 17.
[2] https://it.wikipedia.org/wiki/Anniversario_della_liberazione_d´Italia.



Unsere hybride Veranstaltung wird die komplexen Ursachen für die unterschiedliche Rezeption der zeitgeschichtlichen Wende von 1945 an unter besonderer Berücksichtigung der Bewertung des antifaschistischen Widerstands in beiden Ländern thematisieren.

Programm:
Die Veranstaltung findet am 19.10.21, ab 18.00 Uhr statt.

Begrüßung: Wilfried Klein|Vorstand des Gustav-Stresemann-Institut e.V.

Einführung in die Thematik: Gerd Pütz, Historiker|Zentrum für Wissenskulturen

Vortrag zur italienischen Perspektive des antifaschistischen Widerstands:
Fondazione Gramsci Onlus, Rom: Tommaso Baris|Dozent für Neuere Geschichte am Institut für Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen Dems, Universität Palermo.

Vortrag zur deutschen Perspektive des antifaschistischen Widerstands:
Zentrum für Wissenskulturen, Bonn: Dr. Dieter Nelles|Experte für Widerstand und Exil der deutschen Arbeiterbewegung.

Moderation: Dr. Norbert Reichel|Demokratischer Salon:, Bonn.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion findet ein offener Plenumsdialog statt.

Konferenzsprachen: deutsch, italienisch. Es wird in beide Sprachen gedolmetscht.

Anmeldung:
Diese Veranstaltung findet in Präsenz statt. Eine Teilnahme via Zoom ist ebenfalls möglich. Bitte geben Sie bei ihrer Anmeldung, im Feld "Bemerkungen" an, wie Sie teilnehmen möchten (Präsenz oder online). Vielen Dank!

   

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