Gustav Stresemann

Der Namensgeber des GSI

Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1989-040-27 / Unknown / CC-BY-SA 3.0

 

 

Der deutsche Politiker Gustav Stresemann prägte maßgeblich die Außenpolitik der Weimarer Republik. Als Außenminister war er 1925 federführend bei den Verhandlungen in Locarno über eine Neugestaltung der internationalen Beziehungen Deutschlands nach dem ersten Weltkrieg. Stresemann erreichte eine Verständigung mit den Nachbarstaaten, dazu gehörten die Festschreibung der deutschen, französischen und belgischen Grenzen sowie ein gegenseitiger Gewaltverzicht. Stresemann verfolgte so erfolgreich das Ziel, die außenpolitische Isolation Deutschlands zu beenden. Die Aufnahme in den Völkerbund 1926 symbolisierte die neue  Rolle des deutschen Reiches.

Die Gründer des GSI wählten Gustav Stresemann zum Namensgeber, weil er sich, gegen massive Widerstände, insbesondere für die deutsch-französische Versöhnung eingesetzt hat. Gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Aristide Briand wurde Gustav Stresemann  dafür im Jahr 1926 der Friedensnobelpreis verliehen. 

 

Gustav Stresemann

1878 geboren in Berlin 

Ab 1897 Studium in Berlin und Leipzig, Schriftleiter der Allgemeinen Deutschen-Universitäts-Zeitung  

1901 Promotion, danach Tätigkeit in Industrieverbänden (u. a. Verband Sächsischer Industrieller, Deutscher Industrieschutzverband)

1903 Eintritt in Nationalliberale Partei

1903  Heirat mit Käte Kleefeld (Söhne Wolfgang Stresemann und Joachim Stresemann)

1907 Reichstagsabgeordneter 

1917 Vorsitzender der Nationalliberalen Reichstagsfraktion

1918 Gründung der Deutschen Volkspartei (DVP)

1919 Mitglied der Verfassungsgebenden Nationalversammlung nach dem 1. Weltkrieg

1920 Fraktionsvorsitzender (DVP) und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschuss des Reichtags

1923 Reichskanzler (bis Oktober 1923)  und Außenminister (bis zu seinem Tod)

1925 Vertrag von Locarno

1926 Friedensnobelpreis, gemeinsam mit dem französischen Außenminister Aristide Briand

1929 Tod in Berlin

 

Stimmen zu Gustav Stresemann

„Gustav Stresemann war ein Realpolitiker im besten Sinne. Er war ein Realist, der politische Analyse mit außergewöhnlichem strategischem Geschick verband. Durch die Katastrophe des ersten Weltkriegs erkannte er, dass das Deutschen Reich nur gemeinsam mit seinen Nachbarländern eine produktive und friedliche Zukunft aufbauen konnte. Die Interessen der früheren Gegner ernst zu nehmen, um gute, tragfähige Kompromissen zu formulieren, das zeichnete Stresemanns Politik als Außenminister aus. Die Einsicht Stresemanns, dass an einem fairen internationalen Interessenausgleich kein Weg vorbei führt, wenn langfristig Frieden und Stabilität erreicht werden soll, ist auch heute noch die Grundlage erfolgreicher Außenpolitik. Es war ein historisches Unglück, dass Gustav Stresemann so früh gestorben ist. In ihm hätten die Nationalsozialisten einen unnachgiebigen, einflussreichen und gewichtigen Gegner gehabt.“

Dr. Ansgar Burghof, Direktor des Gustav-Stresemann-Instituts

„Die diplomatische Erfolge Stresemanns und seines französischen Kollegen Aristide Briand  wuchsen aus der Erkenntnis, dass Europa nur dann friedlich, frei und erfolgreich sein kann, wenn es intern von einer starken deutsch-französischen Freundschaft getragen wird und wenn es in eine regelbasierte friedliche und gerechte Weltordnung integriert ist. Stresemann und Briand waren Pioniere für Europa in einer Zeit des Nationalismus und Isolationismus. Die letzten Monate haben uns gezeigt, dass wir heute wieder Pioniere für Europa brauchen.“

Aus der Grußbotschaft von Frank-Walter Steinmeier zum 65-jährigen Bestehen des Gustav-Stresemann-Instituts 2016

„Er war einer der bedeutendsten deutschen Politiker des 20. Jahrhunderts (..).“  Was ihn von allen anderen deutschen Politikern vor 1945 unterschied, war, dass er „die Sicht der anderen in seine politischen Ansichten mit einbezog. Das Ziel einer Revision des Vertrags von Versailles und des deutschen Wiederaufstiegs nach dem Ersten Weltkrieg stand für Stresemann außer Frage. Aber Frankreich war für ihn nicht nur der übelwollende Erzfeind, sondern ein Nachbar, der seinerseits ein überragendes Interesse an Sicherheit, an Sicherheit vor dem potentiell immer noch übermächtigen Deutschland hatte. Diese Haltung machte die Verträge von Locarno friedensnobelpreiswürdig.“ 

Prof. Dr. Andreas Rödder, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Präsident der Gustav-Stresemann-Gesellschaft 

 

Zeitgenossen über Gustav Stresemann

„Briand wie Stresemann haben zu recht betont, dass zwar jeder Bürger zunächst ein loyaler Bürger des eigenen Staates sein sollte – ein guter Franzose, ein guter Deutscher, ein guter Brite – zugleich aber auch ein guter Europäer, der mit den anderen Europäer die großen Ideale der Europäischen Zivilisation teilt, die  im letzten Krieg so grundlegend bedroht wurden.  Wenn wir das, was die Staatsmänner in Locarno für den Frieden in Europa erreicht haben, wirklich würdigen wollen, dürfen wir nicht übersehen, welch gewalttätigen, nationalistischen Widerstand einige von ihnen in ihren eigenen Ländern überwinden mussten, um das Friedensprogramm durchzusetzen. Sie schritten furchtlos voran in der Überzeugung, dass sie den richtigen Weg eingeschlagen hatten.“  

Fridtjof Nansen, Rede bei der Nobelpreis-Verleihung

Stresemann “war gewiss ein großer, deutscher Patriot, und in allen unseren Verhandlungen hat er selbstverständlich die Interessen seines Landes zu wahren gesucht. Aber was würde ich selbst anderes verfolgen, als die Interessen meines Landes?  Sind nicht die  internationalen Verträge am vorteilhaftesten, in denen es gelingt, den Interessen beider Parteien zu genügen, so dass eine jede versichert sein darf, dabei auf ihre Rechnung zu kommen?“ 

Aristide Briand, französischer Ministerpräsident und  Außenminister  

Gustav Stresemann hat sein Land  „in die Gemeinschaft der Völker wieder eingegliedert, es zu einem der einflussreichsten und geachtetsten Mitglieder des Völkerbundes gemacht und seinen  Boden von den Besatzungsstreitkräften der früheren Gegner befreit. Wenn er damit Deutschland diente, so diente er der größeren Sache des Friedens gleichermaßen und trug dazu bei, einer besorgten Welt die Hoffnung wiederzugeben.“  

Sir Joseph Austen Chamberlain, britischer Außenminister, Friedensnobelpreisträger gemeinsam mit Charles Gates Dawes 

„Stresemann hatte die politische Einsicht, zu erkennen, dass der einzige Weg des Wiederaufstiegs für Deutschland die Durchführung einer Politik der Versöhnung mit den früheren Feinden war. Er setzte demgemäß freundschaftliche Beziehungen anstelle von Widerstand, Einvernehmen anstelle von Absonderung und aufrichtige Erfüllung anstelle von Nichtanerkennung.“  

Jacob Gould Schurman, Botschafter der Vereinigten Staaten in Deutschland (1925–1929)

„Tief davon durchdrungen, dass die vornehmste Pflicht verantwortlicher Staatsmänner die Arbeit an der Erhaltung des Friedens zwischen den Völkern sei und der Völkerbund bei weitem das wirksamste Werkzeug zu diesem Zweck darstelle, ging Gustav Stresemann daran, mit dem Bund zu arbeiten und seine Macht bis zum äußersten zu stärken. Er bietet das unübertroffene Beispiel eines Staatsmannes, der von einem edlen Ideal beseelt zugleich klaren Blicks die gangbaren Wege zum Ziel überschaut und entschlossen ist, sie zu gehen.“  

James Eric Drummond, von 1919 bis 1933 der erste Generalsekretär des Völkerbundes

Anne Schulz

a.schulz(at)gsi-bonn.de