Die Macht der Kultur und das Recht zu leben

Die Situation in Afghanistan stand am Montag, 5. November, im Mittelpunkt eines eindrucksvollen Filmabends im Gustav-Stresemann-Institut. In Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung wurde die Dokumentation „True Warriors“ gezeigt, anschließend hatte das Publikum die Gelegenheit, mit den Regisseuren und Experten zu diskutieren.

Der Film erzählt die Geschichte der Theatergruppe Azdar, die zum Ziel eines Attentats wird, als sie in Kabul ein Stück über  Selbstmordanschläge auf die Bühne bringt. Während der Premiere im französischen Kulturinstitut sprengt sich ein 17 Jahre alter Junge in die Luft. Zwei Menschen sterben, viele werden verletzt. Die Journalisten Ronja von Wurmb-Seibel und Niklas Schenck zeichnen in einfühlsamen Interviews nach, wie die Künstler diese Katastrophe verarbeiten. Die alltägliche Gewalt in Afghanistan kommt dabei ebenso zu Sprache wie die Sehnsucht der Menschen nach einer friedlichen Zukunft. „Wir sind auch Menschen und haben das Recht zu leben“, heißt es gleich zu Beginn. 

Kunst und Kultur werden zum Teil des zivilen Widerstands gegen die Brutalisierung der afghanischen Gesellschaft: "Eine Nation lebt, wenn ihre Kultur lebt", lautet das Credo der Künstler. Die Theatermacher stellen sich deshalb mutig den mafiösen Terrorgruppen entgegen. "Jeder hat schon mal einen Anschlag erlebt", erzählte eine Künstlerin, "Wir fragen: wann ist es endlich genug? Sie töten ihre eigenen Schwestern und Brüder."

Der Anschlag ist als deutliche Warnung und massive Einschüchterung gedacht. Einige Künstler sehen sich danach gezwungen, ihr Land zu verlassen, um ihre Arbeit in Europa fortzusetzen. Andere behaupten den Platz auf der Bühne mitten in Kabul. Sie stellen den Mord an der Studentin Farkhunda Malikzada nach, die auf offener Straße grausam getötet wird, nachdem sie kritische Fragen an islamische Geistliche gestellt hatte. Gerade dieses Straßentheater demonstriert die Macht der Kultur: Die zivilgesellschaftlichen Proteste führen dazu, dass die Gewalttat nicht vertuscht werden kann. Inzwischen wurde Farkhunda Malikzada ein Denkmal errichtet,  um an den Mut der jungen Frau zu erinnern. Der erfolgreiche Protest war ein, wenn auch bescheidener, Lichtblick zum Abschluss des Dokumentarfilms, der vom Publikum mit großem Beifall bedacht wurde.

Die Moderation der anschließenden Gesprächsrunde übernahm Florian Weigand, Leiter der Afghanistan-Redaktion der Deutschen Welle. Ein Podiumsgast war Qais Hatefi, der an der Theateraufführung mitgewirkt hatte und heute in Europa lebt. Er betonte, wie wichtig die Hoffnung  auf Frieden sei, seine Generation sei mit Krieg und Gewalt aufgewachsen. Der Mangel an Bildung und die fehlenden Perspektiven, gerade für die dörfliche Bevölkerung, mache es Warlords, wie den Taliban, leicht, immer neue Kämpfer zu rekrutieren. Hatefi forderte, dass die westlichen Regierungen die Finanzierung des Terrors (u. a. durch Drogenhandel) unterbinden sollten. Auch die Schulungslager für Taliban-Kämpfer seien bekannt, hier müsse gezielter und strategischer gehandelt werden. 

Die Regisseurin  Ronja von Wurmb-Seibel kritisierte die fortlaufenden Bombardierungen durch die westlichen Alliierten. Diese Militärschläge seien eine Wiederholung der alten  Fehler, nur in noch größerem Maßstab. Für Ronja von Wurmb-Seibel, die mit Niklas Schenck ein Jahr in Kabul gelebt hat, führt kein Weg an Verhandlungen, auch mit den Taliban, vorbei. Auch Niels Wörmer, Nahost-Experte der Konrad-Adenauer-Stiftung, bestätigte, dass sich die Situation in Afghanistan keineswegs verbessert hat. Im Gegenteil, die Sicherheitssituation sei wesentlich schlechter und die Arbeit vor Ort nur mit großen Einschränkungen möglich.

Regisseur Niklas Schenck forderte deshalb bessere Bedingungen für den Kulturaustausch. „Bisher werden viele Visa-Anträge von Künstlern einfach abgelehnt, weil man befürchtet, sie könnten Asyl beantragen. Wenn mehr afghanische Künstler die Möglichkeit haben, in Europa zu studieren, ihre Projekte zu entwickeln und zu arbeiten, wird dies ihrem Land zu Gute kommen.“  Diese Kraft zur gesellschaftlichen Veränderung, die von Kunst und Kultur ausgehen kann, war die ermutigende Botschaft eines Abends, der Einblicke in ein zerrissenes Land eröffnete.

 

Photos: Eduard N. Fiegel