Ein differenziertes Bild

Die Rolle des Iran im Nahen Osten war das Thema des 8. Nahost-Talks, den das Gustav-Stresemann-Institut e.V. am 22. November 2018 in Kooperation mit der Deutschen Initiative für den Nahen Osten veranstaltete.

Der Direktor des GSI, Dr. Ansgar Burghof, wies in der Begrüßung darauf hin, dass durch die einseitigen  Aufkündigung des Atomvertrags durch den amerikanischen Präsidenten Trump „die westlichen Verhandlungspartner gespalten und vor allem Europa brüskiert  wurde“. Damit hat Trump “den Antiamerikanismus und den Widerstandsgeist des Regimes und seiner Anhänger gestärkt“. Während Europa eine neue Linie suche, würden „Länder wie Russland, China und Indien weiterhin Öl aus Iran beziehen“.

Auch Prof. Jürgen Bremer, Sprecher  der Deutschen Initiativen für den Nahen Osten, unterstrich die zentrale Bedeutung, die insbesondere der Charakter dieser Aufkündigung für die Politik des Irans habe. 

Dr. Michael Lüders, Publizist und Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, kritisierte, dass häufig ein sehr einseitiges Bild des Irans in den Medien gezeichnet würde. Der Iran sei inzwischen das einzige Land in der Region, das nicht westlich orientiert sei. Im Vergleich zu Saudi-Arabien existiere jedoch eine Balance zwischen unterschiedliche Machzentren, die gesellschaftliche Nischen seien viel größer als in anderen Staaten der Region und die Bevölkerung wesentlich besser ausgebildet. 

Diese Einschätzung wurde von Dr. David Ramin Jalilvand, Politikwissenschaftler und Berater des Iran-Projekts der Friedrich-Ebert-Stiftung, geteilt. Jalilvand wies darauf hin, dass im Iran eine Zivilgesellschaft existiere, die zwar auch unterdrückt würde, sich aber dennoch u.a. für Menschenrechte und Ökologie einsetze. „Der Iran ist keine Demokratie, besitzt aber ein eigenes System von Checks and Balances“, so Jalilvand. Dies habe auch damit zu tun, dass in der schiitischen Lehre kein reines Dogma existiere, sondern durchaus ein Diskussionsraum bestehe.   

Die Experten waren sich einig, dass demgegenüber die Situation in Saudi-Arabien, das sich mit dem Iran in einem Dauerkonflikt befindet, wesentlich negativer einzuschätzen sei. Nicht erst der Mord an Jamal Khashoggi habe gezeigt, dass in Saudi-Arabien jede Kritik an der Regierung brutal unterdrückt werde. Der innere und relativ kleine Machtzirkel würde durch die Herrscher-Familie gebildet. Diese würde jeden Widerspruch als Blasphemie werten und fühle sich berechtigt, politische oder religiöse Gegner zu vernichten. 

Vor diesem Hintergrund sei es auch verständlich, dass der Iran sich bedroht fühle. „Der Iran hat das Abkommen penibel eingehalten und muss nun erleben, dass es trotzdem gekündigt wird.“ so Reinhard Baumgarten, ARD-Korrespondent und Nahostexperte, davon profitierten China und Russland. Die Situation würde dadurch verschärft, dass die USA offen einen Regime-Change im Iran anstrebe. 

Der frühere Bundesaußenminister Dr. Klaus Kinkel nannte die aktuelle Politik der US-amerikanischen Regierung sehr besorgniserregend. Trump sei immer noch der „mächtigste Mann der Welt“, der aber seine Meinung mehrfach am Tag ändere. „Das andere Trauerspiel ist“, so Kinkel, „dass Europa nicht mit einer Stimme spricht.“ Und die Bundesrepublik sei zwar das wichtigste Land in Europa, habe aber deutlich an politischem Gewicht eingebüßt.

Als Beispiel für die politische Handlungsunfähigkeit auf internationaler Ebene wurde der Konflikt im Jemen gewertet. Dieser Krieg sei ursprünglich von Saudi-Arabien angezettelt worden, in der Annahme, so den Iran zu schwächen, so Michael Lüders. Das Ergebnis sei eine humanitäre Katastrophe. Das Aushungern der Zivilbevölkerung würde als Waffe eingesetzt, indem Lieferung von  Nahrungsmitteln verhindert wird. Lüders berichtete, dass sowohl die USA wie Großbritannien das saudische Militär bei den Luftangriffen logistisch unterstützten. Auch hier sei ein Ungleichgewicht in der medialen Wahrnehmung zu beobachten. Während die Kriegsparteien in Syrien nach dem alten gewohnten Gut-Böse-Schema eingeordnet würden, sei die westliche Unterstützung von Saudi Arabien weitgehend unbekannt.  Das Podium, das von dem Journalisten Thomas Nehls moderiert wurde, diskutierte in diesem Zusammenhang, ob die UNO zu einer Lösung betragen könne. 

Zu Beginn der Podiumsdiskussion hatte Prof. Bremer den Wunsch geäußert, dass „wir das GSI klüger verlassen, als wir es betreten haben“. Das Publikum war offenbar der Ansicht, denn es dankte den Experten mit lebhaftem Beifall.

Fotos: Eduard N. Fiegel