Skeptisch bleiben!

Einen erfolgreichen Auftakt erlebte die GSI-Veranstaltungsreihe „Europa – vor welcher Wahl stehen wir?“ am 11. April 2019. Das Thema lautete „Unlauterer Wahlkampf? - Die Demokratie online wie offline verteidigen!“

In der Begrüßung wies Dr. Ansgar Burghof darauf hin, dass eine faire öffentliche Debatte zur Europa-Wahl durchaus bedroht ist – einerseits durch manipulative Kampagnen, anderseits durch direkte Angriffe auf Journalisten. „Mitten in Europa wurden Daphne Caruana Galizia und Ján Kuciak ermordet, weil sie ihre journalistische Arbeit ernst genommen haben, weil sie unerschrocken und mutig versucht haben, die Wahrheit aufzudecken“, erklärte Dr. Burghof und weiter: „Es geht uns alle an, wenn mitten in Europa, in Staaten der Europäischen Union, die Pressefreiheit bedroht ist.“

Zu Beginn diskutierten Bürgerinnen und Bürger in einem World-Café über ihre Erfahrungen mit der europäischen Berichterstattung. Gerade überzeugte Europäer/innen wünschten sich mehr und umfangreichere Informationen über politische Entscheidungen in Brüssel. Es gab viele Vorschläge, wie Europa der Bevölkerung näher gebracht werden kann: „Zusammenhänge müssen besser erklärt werden!“, „Transparenz muss hergestellt werden“, „Man muss die EU mit Gesichtern verbinden“ aber auch „Wir brauchen einen Europäischen Patriotismus!“.

Anschließend diskutierte eine Expertenrunde auf dem Podium, welche Hemmnisse einer gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit im Weg stehen.

Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes Prof. Dr. Frank Überall kritisierte, dass die Medienvielfalt gefährdet sei. Er wandte sich gegen Kampfbegriffe wie „Lügen-Presse“. Die Medien als „Teil des demokratischen Systems“ wären auch in der Bundesrepublik tätlichen Angriffen ausgesetzt.
Über die Situation in Osteuropa berichtete Prof.

Dr. Gábor Polyák von der ungarischen Universität in Pécs. Auch er beobachtet Einschüchterungsversuche, ein weitaus wirksameres Mittel sei aber, unliebsamen Medien z.B. durch den Entzug von Anzeigen die wirtschaftlichen Grundlagen zu nehmen.
Die EU-Kommission beobachtet seit etlichen Jahren, wie insbesondere Social Media genutzt werden, um den Zusammenhalt der europäischen Union zu untergraben.

Christina Wunder, die in Brüssel diese Desinformations-Kampagnen analysiert, schilderte auf dem Podium anschaulich, wie russischen „Trollfabriken“ versuchen, Einfluss zu nehmen. So würden negative Narrative, etwa zum Thema Migration, in die Welt gesetzt und via Bots so lange verstärkt, bis sie in seriösen Medien aufgegriffen würden. Dabei würde auch nicht vor glatten Lügen zurückgescheckt.

Der Europa-Abgeordnete Axel Voss musste erleben, dass die Kritik an der Urheberrechts-Reform, die er mit entwickelt hatte, in eine konzertierte und aggressive Verleumdung seiner Person umschlug. Internet-Konzerne wie Youtube hätten zudem ihre Kommunikationskanäle strategisch eingesetzt: „Wir als Abgeordnete haben nicht die Möglichkeit, Millionen von jungen Menschen direkt anzusprechen“:
Unter der Moderation von Bernd Neuendorf, Journalist und Staatssekretär a.D., diskutierte das Panel auch mit dem Publikum, wie diesen Problemen begegnet werden könne. „Skeptisch bleiben! Nicht alles glauben! Im Zweifel jede Information prüfen!“, lautete der Rat von Christina Wunder an das Publikum.  Frank Überall forderte, dass die Medienkompetenz insbesondere schon in den Schulen gefördert werden müsse. Und Axel Voss berichtete, dass innerhalb der EU darüber nachgedacht werde, in Förderprogrammen, die Erfolge bei der Umsetzung der rechtsstaatlichen Grundsätze positiv zu berücksichtigen. Für Gábor Polyák wiederum ist es eine tägliche Herausforderung, die Grundsätze der Pressefreiheit in der universitären Lehre zu verankern.

„Der erste Schritt ist, uns dieser Probleme bewusst zu werden!“, zog Ansgar Burghof ein Fazit der Debatte. „Vielleicht sind wir immer noch zu defensiv. Aber es liegt auch an jedem von uns, die Demokratie offensiv zu verteidigen.“

Der nächste Termin in der GSI-Veranstaltungsreihe ist der 9. Mai 2019.